Ja.
Differenzierter: Muss ich den Missmut irgendwelcher Vorfahren in jahrelangen therapeutischen Sessions analysieren? Hilft mir das Wissen um das Leid in früherem Leben? Brauche ich ein starkes Licht, welches etwaige dunkle Ecken meiner Kindheit ausleuchtet? Oder muss ich wissen, woher meine massive Ungeduld bei technischen Problemen stammt? Ernst Bloch betont deutlich, dass es drängender ist, dem konkreten Hunger und Durst bei den Menschen abzuhelfen, «während sich ohne Liebesgenuss immerhin eine Weile leben lässt. Erst recht lässt sich ohne Befriedigung des Machtriebes leben». In der Erweiterung mit Luce Irigaray gedacht, geht es dann bei denen, welche genährt werden müssen, nach deren physischen Ernährung diese zu nähren mit Bewusstheit, mit geistiger befreiender Nahrung. «Ich gebe dir einfach zu essen, statt dir auch Worte, Bilder zu geben», schreibt Irigaray etwa in Bezug zur gesellschaftlich bestimmten, zugeschriebenen Mutterrolle.
Selbstverständlich ist die Innenschau wichtig, damit ich nicht immer von meinen Macken und Themen gestört werde – oft noch, ohne dass ich das merke: Verdrängung, Sublimierung, Verschiebung, Projektion, etc. sei Dank. Doch geht es bei der Innenschau aus buddhistischer befreiender Perspektive vor allem um die Schau der Buddha-Natur, welche unbefleckt von diesem alten Zeugs ist. Also ist es günstig, dieses alte Zeug zu kennen, wenn es mich beeinflusst, und mich dann nicht zu sehr ablenken zu lassen in meiner Praxis. Einige tief Praktizierende nutzen das inbrünstige Bitten für neuen eigenen Mist, um zu prüfen, ob sie schon ‘weiter’ sind, ob starke Herausforderungen also sie noch abhält von ihrer Praxis zum Wohle aller fühlenden Wesen.
Erweiternd zu dieser individuellen Perspektive ist klar, dass unsere gesellschaftlich bedingte Prägung ebenso erkannt werden muss. Wir leben in einer zutiefst patriarchalen Welt, damit auch in einer Welt der männlich dominierten Sprache. In einer Sprachwelt, also Denkwelt zudem, welche zugepflastert ist mit Metaphern aus Krieg und Gewalt («Stellung beziehen», «Position verteidigen», «schlagfertige Argumente liefern», «Lanze brechen», …).
Diesen Blog schreibe ich auch aus Wut gegenüber einem eigenen alten Mist, welcher frisch hochkam in mir. Und Wut bringt Klarheit, spiegelgleiche Weisheit heisst das so passend in der Zuordnung im Erfahrungskonzept der 5 Buddhafamilien.
Ist das noch nötig, sich diesen mühsamen inneren Stories zu widmen? Wenn ich den Mist selbst umsteche, dann weiss ich eventuell, was Ähnliches für andere bedeutet, vielleicht kann ich dann unterstützend wirken. Da ist das Ja-Und, das oben beim Blogbeginn noch fehlt: Mist ist gut, wird hilfreich, manchmal gedeiht daraus etwas. Damit die innere Weisheit aufscheint.
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