Aus klassisch buddhistischer Perspektive ist Hoffnung trügerisch und gefährlich. Die Erwartungen, die damit verbunden sind, können enttäuscht werden. Und schon ist wieder ‘Leiden’ da, also Unzufriedenheit im Geist.
Hoffnung ist auf die Zukunft ausgerichtet, verlässt den Spielraum im Jetzt. In der Zukunft liegt die Anhaftung, so eine vereinfachte Darstellung der Zuordnung der drei Geistesgifte (in der Vergangenheit ist der Ärger, über das, was nicht klappte, wo Enttäuschung passierte, etc.; in der Gegenwart ist die Dumpfheit, das unachtsame Leben, das oberflächliche Sein im alten Trott). In der Zukunft lauert also die Anhaftung, verknüpft mit der latenten Angst, dass es auch diesmal nicht klappt mit dem Weltfrieden, der Liebe zur Partnerin, einer gerechteren Welt, einer andauernden inneren Zufriedenheit. Ich lege meinen Effort in diese Zukunft, statt dass ich jetzt mich in Meditation übe, in Mitfreude oder in Achtsamkeit mit weisem Geist.
Hoffnung vernebelt die gute Tat im Jetzt, überspitzt gesagt.
Doch gibt es eine Ehrenrettung aus buddhistischer Sicht auf diese Hoffnung? Können wir vielleicht lernen aus westlichem Denken und Empfinden? Philosophisch-marxistisch geprägtes Denken macht aus der Hoffnung auf eine bessere Welt einen Kampfgeist. Dieses ‘Prinzip Hoffnung’ (Ernst Bloch) nutzt die konkrete Utopie als Kraftquelle. Der Hunger nach Erfüllung der Grundbedürfnisse bringt uns in eine gemeinschaftliche (!) Handlung, die bis zur Revolution gehen kann. Spannend natürlich, dass der Hunger hier konkret gesehen wird, während im buddhistischen Kontext der ‘Durst’ als Begriff der Anhaftung sich auf den Geist bezieht.
Diese Bedeutungsverschiebung kann Differenzierung bieten und passt zur Idee eines sozialen, gesellschaftlich aktiven Buddhismus. Auf der einen Seite geht es da um die Entwicklung des Geistes hin zur Überwindung des Samsara, auf der anderen Seite steht der Einsatz für ein ‘besseres’ Samsara zum Wohle von allen, die sich noch im Rad des Lebens bewegen und noch nicht erleuchtet ausgestiegen sind. Hoffnung kann dann in Bezug gesetzt werden zu konkreten Taten, welche samsarisch-erfahrungsgemäss Möglichkeit zur Veränderung bieten. Wenn ich Dharma lehre oder einen Text zur Verfügung stelle, ist die Hoffnung da, dass das erstens gelesen werden kann – wenn ich lesen gelernt habe – plus zweitens zum Nachdenken anregt. Hoffnung schwebt dann nicht im seichten Raum irgendwelcher externer Welten herum, sondern hat konkrete Bezugspunkte zur Tat. Da wiederum kommt das Karma ins Spiel: ohne Ursache gibt es keine Wirkung. Alles hat eine Ursache, welche wiederum Wirkung ist. Nun gibt es ‘schwache’ Ursachen, etwa einen spontanen Gedanken zu haben; oder ‘stärkere’ Ursachen, nämlich jahrelang Gedanken in der Meditation zu fokussieren. Wenn ich dann übe, dieses ‘schwach’ und ‘stark’ nicht als fixe Konzepte zu sehen, sondern nur als momentane Sprachbilder, bewege ich mich in den Bereich der Demut und damit buddhistisch ins Vertrauen. Weiter gedacht und empfunden winkt da die kraftvolle Erfahrung des Vertrauens in die eigene Buddha-Natur, nicht in externe Personen oder aufbauende Stories oder ferne Heils- und Hoffnungskonzepte.
Über diesen (Um-)Weg plötzlich hat Hoffnung etwas mit eigener Power zu tun, mit der eigenen reinen Natur, mit dem Schon-Erfüllt-Sein. Das ist natürlich erstmal individuell, doch kann individuelle Erfüllung nie gedacht und erlebt werden ohne Erfüllung aller fühlender Wesen.
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